Patientenbefragungen verbessern Heilung und senken Kosten

Die systematische Befragung von Patientinnen und Patienten nach einer Operation verbessert die Heilung und senkt Behandlungskosten.

Das zeigen die Ergebnisse des Projekts „PROMoting Quality“ des Fachgebiets für Management im Gesundheitswesen der Technischen Universität Berlin und des Lehrstuhls Gesundheitsökonomie, -Politik, und Management der School of Medicine (Med-HSG), die jetzt im renommierten Journal „PLoS Medicine“ publiziert wurden.

Der Ersatz von Hüft- und Kniegelenken gehört in den meisten westlichen Ländern, so auch in Deutschland und in der Schweiz, zu den am häufigsten durchgeführten Operationen. Sie gelten als ein wesentlicher Treiber nationaler Gesundheitsausgaben.

Kosten entstehen dabei nicht nur während des initialen Aufenthalts und während der Operation, sondern auch in der Nachbetreuung der Patientinnen und Patienten. Ausserdem führen schlechte Behandlungsergebnisse zu erhöhten Kosten wegen teurer Revisionen und Reoperationen.

Behandlungserlebnisse aus Patientensicht

Der Einsatz von sogenannten „Patient-Reported Outcome Measures (PROMs)“ dient u.a. der Überwachung des Gesundheitszustandes von Patientinnen und Patienten nach einer Operation. PROMs sind standardisierte Befragungen. Sie messen zum Beispiel die gesundheitsbezogene Lebensqualität des Patienten, die Funktionalität der Hüfte oder des Knies, sowie das Schmerzlevel oder mentale Gesundheit.

Die Angaben sollen helfen, die Nachversorgung des Patienten besser zu steuern. Bereits Studien mit Krebspatienten haben gezeigt, dass PROMs die Behandlungsergebnisse (Überleben, Notaufnahmen) verbessern und die Gesundheitskosten reduzieren (Basch et al. 2016, Lizée et al. 2019).

Für das sogenannte „Remote Gesundheitsmonitoring“ von Patienten nach einer Hüft- oder Kniegelenkersatzoperation ist der Einsatz von PROMs prädestiniert. Denn es kommt meist zu einem Bruch in der Versorgung zwischen dem Operateur bzw. Chirurg und dem nachbehandelnden Arzt.

PROM-basiertes Monitoring ermöglicht es, bei unerwünschten Behandlungsergebnissen frühzeitig einzugreifen und individuelle Therapieanpassungen vorzunehmen.

„PROMs haben nicht nur das Potential, die Gesundheit der Patientinnen und Patienten aktiv zu verbessern, sondern auch das Gesundheitssystem durch frühzeitige Interventionen und gezieltere Therapien nachhaltig zu entlasten.“

(Lukas Schöner, Lehrstuhl Management im Gesundheitswesen an der Technischen Universität Berlin)

Kosteneffektivität und verbesserte Behandlungsergebnisse

Für die Patient-Reported Outcome Measures (PROMs) wurden verschiedene Fragebögen eingesetzt, um die folgenden Kriterien zu erheben:

  1. Gesundheitsbezogene Lebensqualität
  2. Funktionalität von Hüfte bzw. Knie
  3. Erschöpfungssymptome
  4. Depressionssymptome

Die Daten wurden mit der Software „Hearbeat ONE“ von Heartbeat Medical erhoben und in den beteiligten Kliniken aufbereitet. Die Hauptergebnisse im Überblick:

Kosteneffektivität der Intervention 12 Monate nach der Operation:

  • Insgesamt erwies sich das PROM-basierte digitale Gesundheitsmonitoring- und Warnsystem für beide Eingriffe, Knie und Hüfte, als kosteneffektiv.
  • Bei Patienten mit Hüftgelenkersatz lag die Wahrscheinlichkeit, dass die Intervention sowohl das Behandlungsergebnis verbessert als auch Kosten einspart, bei 97,5% (einschliesslich der Interventionskosten). Bei Patienten mit Kniegelenkersatz lag die Wahrscheinlichkeit bei 73,3%.

Verbesserung der Behandlungsergebnisse 12 Monate nach der Operation in fast allen Gesundheitsdimensionen:

  • Bei Patienten mit Hüftgelenkersatz wurden die grössten Verbesserungen bei den körperlichen Gesundheitsdimensionen Funktionalität und Schmerzen beobachtet.
  • Bei Patienten mit Kniegelenkersatz wurden signifikant höhere Verbesserungen in der gesundheitsbezogenen Lebensqualität und der Depressionssymptome beobachtet.
    Reduktion der Kosten 12 Monate nach der Operation im Vergleich zur Regelversorgung:
  • Die Kostenreduktion beläuft sich auf minus 9,4% (376.43 Euro) für Patienten mit Hüft- und minus 7,1% (375.50 Euro) für Patienten mit Kniegelenkersatz.
  • Gründe für die Kosteneinsparungen der Patienten mit Hüftgelenkersatz: deutlich weniger ambulante Arztkontakte, weniger Heilmittel wie Physiotherapie und weniger Arzneimittelverschreibungen.
  • Gründe für die Kosteneinsparungen der Patienten mit Kniegelenkersatz: weniger Verschreibungen von Arzneimitteln und von Hilfsmitteln wie Physiotherapie.

„Patientinnen und Patienten, die durch das Monitoring einen regelmässigen Feedbackmechanismus zu ihrem Genesungsverlauf bekommen, benötigen weniger ambulante Arztkontakte, insbesondere Hausarztkontakte. Dies kann das Gesundheitssystem drastisch entlasten.“

(Dr. David Ehlig (geb. Kuklinski), Lehrstuhl Gesundheitsökonomie, -Politik und -Management an der Universität St.Gallen)

Patientenzentriertes Monitoring: Implikationen und nächste Schritte

Das Projekt kam zum Schluss, dass durch eine stärkere Verankerung der Patientenperspektive individuellere Behandlungswege gestaltet und gleichzeitig Ressourcen effizienter genutzt werden können. Aus den Ergebnissen mit den deutschen Kliniken lassen sich auch praktische Implikationen für die Schweiz ableiten:

  • Eine kritische Genesung, die nach einem chirurgischen Eingriff nicht erkannt wird, führt sowohl zu unerwünschten gesundheitlichen Folgen als auch zu erhöhten Ausgaben im Gesundheitswesen. Deshalb wird ein patientenzentriertes Gesundheitsmonitoring zur Umsetzung empfohlen.
  • Der Einsatz eines post-operativen PROM-Monitoring- und Warnsystems trägt dazu bei, die gesundheitlichen Ergebnisse von Patienten mit Knie- und Hüftgelenkersatz zu verbessern und die Gesundheitsausgaben zu senken. Medizinerinnen und Mediziner sowie politische Entscheidungsträger sollen darüber informiert und die Massnahme auf Systemebene umgesetzt werden.
  • Die Studie kann die Diskussion über die fortschreitende Digitalisierung des Gesundheitswesens anregen und die Forschung über den Einsatz von PROMs als Monitoring- und Warnsystem für andere Erkrankungen, z.B. chronische Krankheiten, vorantreiben. Ein weiteres Forschungsprojekt

„Enhancing T2D Care“ unter der wissenschaftlichen Leitung des HSG-Teams untersucht derzeit den Einsatz von PROMs zur Verbesserung der Versorgung von Diabetespatienten in der Schweiz.

Forschungsprojekt „PROMoting Quality“

Das Forschungsprojekt „PROMoting Quality“ wurde vom deutschen G-BA Innovationsfonds mit 3.5. Millionen Euro gefördert. Die Studienautoren haben evaluiert, ob ein digitales „Remote Gesundheits- monitoring“ mithilfe von PROMs kosteneffektiv ist – also die Behandlung verbessert und Kosten und Arztbesuche reduziert.



Die Patienten der Interventionsgruppe füllten die Befragungen in den Monaten 1, 3 und 6 nach der Operation aus. Bei Auffälligkeiten im Genesungsprozess wurden sie von ihrem Krankenhaus kontaktiert.

In die Studie, die in Zusammenarbeit mit dem Lehrstuhl Gesundheitsökonomie, -Politik, und Management an der School of Medicine (Med-HSG) und dem Projektkonsortium unter Führung der Technischen Universität Berlin (TU Berlin) entstanden ist, flossen die Informationen von 2697 Hüft- und 3110 Kniegelenkersatzpatienten aus neun deutschen Spitälern zwischen 2019 und 2020 ein.

Von ca. 20% der Patientinnen und Patienten (Versicherte der Krankenkassen BARMER und der BKKen) wurden ausserdem die Abrechnungsdaten von einem Jahr vor bis zu einem Jahr nach der Operation auf Patientenebene hinzugefügt.

„Das Potential von PROMs bei chronischen Erkrankungen ist derzeit Gegenstand verschiedener Forschungsprojekte.“

(Prof. Dr. Alexander Geissler, Lehrstuhl Gesundheitsökonomie, -Politik und -Management an der Universität St.Gallen)

Projektpartner aus verschiedenen Branchen

Am Projekt beteiligt sind die School of Medicine (Med-HSG) der Universität St.Gallen und der Konsortialführer die Technische Universität Berlin (TU Berlin), der Softwarehersteller Heartbeat Medical, die Krankenkassen BARMER und BKK Dachverband, das Institut aQua sowie die Kliniken Charité – Universitätsmedizin Berlin, Diakovere Annastift, Helios ENDO-Klinik Hamburg, Schoen Klinik Neustadt, Schoen Klinik Hamburg Eilbek, Sana Kliniken Berlin-Brandenburg, RoMed Kliniken Prien am Chiemsee, VAMED Ostseeklinik Damp und die Waldkliniken Eisenberg.

 

Quelle: Universität St.Gallen
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