Der Steinbock in der Schweiz: König der Alpen und Symbol der Wildnis

Majestätisch thront er auf den Felsen, scheinbar mühelos überwindet er steilste Hänge: Der Alpensteinbock ist ein Sinnbild für Kraft, Ausdauer und Anpassung. Und eine wahre Schweizer Erfolgsgeschichte.

Noch vor 200 Jahren war der Steinbock in der Schweiz ausgerottet. Heute begegnet man ihm wieder in vielen Gebirgsregionen – dank mutiger Schutzmassnahmen, geheimer Schmuggelaktionen und dem Engagement von Wildhütern. Doch wie lebt der Steinbock? Und was braucht es, damit er in der modernen Schweiz überlebt?

Biologie des Alpensteinbocks: Ein Lebensspezialist in extremer Umgebung



Der Alpensteinbock (Capra ibex) gehört zur Familie der Ziegenartigen. Er lebt ausschliesslich in den Alpen – und dort vor allem oberhalb der Baumgrenze, auf Höhen von 1600 bis 3200 Metern.

Körperbau und Merkmale

  • Männchen (Böcke): bis 100 kg schwer, mit bis zu 1 m langen Hörnern
  • Weibchen (Geissen): ca. 40–50 kg, kleinere Hörner mit wenig Wölbung
  • Stämmiger Körper, braungraues Fell, Trittsicherheit in felsigem Gelände
  • Aussergewöhnliche Klettertechnik dank Hufstruktur mit Gummi-artiger Unterseite

Lebensweise

  • Tagaktiv, vor allem in den Morgen- und Abendstunden
  • Sommer: hochalpine Lagen mit wenig Vegetation
  • Winter: Rückzug in schneearme, sonnenexponierte Hänge
  • Leben in geschlechtergetrennten Gruppen – ausser während der Brunftzeit

Geschichte: Vom Aussterben zur Wiederansiedlung

Der Steinbock war in der Schweiz bis zum 19. Jahrhundert vollständig ausgerottet. Intensive Jagd – besonders wegen der angeblich heilenden Wirkung von Horn, Herz und Blut – führte zu seinem Verschwinden.

Geheime Rettung aus Italien

  • Letzte Wildpopulation um 1800 im Gran-Paradiso-Nationalpark (Italien)
  • Um 1906: Schmuggel von Steinbockkitzen in die Schweiz – illegal, aber effektiv
  • Aufzucht in Wildparks wie St. Gallen und Peter & Paul
  • Ab den 1920er Jahren erste erfolgreiche Auswilderungen in Graubünden

Heute wieder weit verbreitet

  • Rund 17 000 Steinböcke in der Schweiz (Stand 2023)
  • Starke Populationen in Wallis, Graubünden, Tessin, Berner Oberland
  • Nationalpark, Piz Beverin, Simplongebiet, Zermatt, Säntisregion u. v. m.

Tipp: Die Stiftung Pro Natura und lokale Wildhüter bieten geführte Exkursionen zu Steinbock-Kolonien an – besonders eindrücklich im Frühling, wenn die Tiere aus der Höhe zurückkehren.

Lebensraum und Verhalten

Der Lebensraum des Steinbocks ist extrem – er lebt dort, wo andere Arten kaum noch überleben können. Steile Felswände, Geröllfelder und spärliche Vegetation sind sein Zuhause.

Warum lebt der Steinbock so hoch oben?

  • Flucht vor Feinden – besonders dem Menschen und Raubtieren
  • Gute Sicht und Übersicht im Gelände
  • Temperatur- und Schneeverhältnisse regulieren seine Bewegung


Sozialverhalten und Gruppenstruktur

  • Geissen und Jungtiere bilden Herden von bis zu 20 Tieren
  • Böcke leben meist einzeln oder in kleinen Gruppen
  • Brunftzeit: November bis Januar – Kämpfe mit den imposanten Hörnern
  • Tragzeit: ca. 6 Monate, Geburt meist im Mai oder Juni

Ernährung

  • Kräuter, Moose, Flechten, Gräser, Wurzeln
  • Winter: auch Zweige, Rinde, Zwergsträucher
  • Effiziente Verdauung, angepasst an karge Nahrung

Begegnungen in freier Wildbahn

Wer sich ruhig und respektvoll im Gebirge bewegt, hat gute Chancen, einen Steinbock zu sehen – oft aus wenigen Metern Entfernung.

Verhalten bei Sichtung

  • Stehenbleiben, ruhig verhalten, Distanz wahren
  • Kein Füttern oder Locken – Wildtiere dürfen nicht abhängig werden
  • Hunde an die Leine nehmen

Beste Beobachtungszeiten

  • Frühling: Rückkehr aus höhergelegenen Wintergebieten
  • Spätherbst: Brunftzeit mit eindrücklichem Rivalenverhalten
  • Früher Morgen oder Abend: Tiere sind aktiver

Tipp: Rund um Pontresina (GR), Arolla (VS), Elm (GL) oder am Pilatus (LU) gibt es gut erschlossene Beobachtungspunkte mit garantierter Sicht auf Steinböcke – sogar mit Ferngläsern vor Ort.

Gefahren und Herausforderungen für die Population

Trotz stabiler Bestände ist der Steinbock nicht völlig ausser Gefahr. Klima, Krankheiten und menschliche Störungen beeinflussen seine Zukunft.

Krankheiten

  • Sarkoptische Räude – parasitäre Hauterkrankung, kann zu Massensterben führen
  • Brucellose – bakterielle Infektion mit Gefährdungspotenzial für Nutztiere

Klima und Lebensraumveränderung

  • Schneearme Winter verändern Migrationsverhalten
  • Häufigere Störungen durch Tourismus (Skitouren, Drohnen, Wanderer)
  • Verlust von Rückzugsgebieten durch Erschliessung und Infrastruktur

Jagdbare Art mit Regulierung

  • In der Schweiz darf Steinwild mit Sonderbewilligung bejagt werden
  • Strenge Kontrolle durch Wildhüter und Jagdverwaltungen
  • Regulierung v. a. bei überalterten Böcken oder zur Bestandslenkung

Steinbock als kulturelles Symbol

Kaum ein Tier ist so stark mit den Schweizer Alpen verbunden wie der Steinbock. Er ziert Logos, Wappen, Postkarten und Souvenirs – und ist Identifikationsfigur ganzer Regionen.

Beispiele

  • Wappen von Graubünden: weisser Steinbock auf schwarzem Grund
  • Markenzeichen des Nationalparks, Pro Natura und anderer Naturschutzorganisationen
  • Skulpturen, Brunnenfiguren und Wandmalereien in zahlreichen Bergdörfern

In der Werbung und Folklore

  • Steinbock als Sinnbild für Stärke, Standhaftigkeit, Naturverbundenheit
  • Beliebt als Motiv auf Wander- und Outdoor-Marken
  • Erzählungen, Sagen und Märchen in allen vier Landessprachen

Fazit: Der Steinbock lebt – dank Schutz, Respekt und Engagement

Der Steinbock steht exemplarisch für die gelungene Rückkehr einer einst ausgerotteten Art. Er braucht Raum, Ruhe und Rücksicht – dann bleibt er auch für künftige Generationen sichtbar.

Ein Symbol der Wildnis mitten in der Schweiz – imposant, anpassungsfähig und unvergessen.

 

Quelle: tierwelt.news-Redaktion
Bildquellen: Bild 1: => Symbolbild © BISSATTINI/Shutterstock.com; Bild 2: => Symbolbild © GUIDO pcruciatti/Shutterstock.com

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