Longevity um jeden Preis? Warum Bryan Johnsons Weg nicht der einzige ist
von belmedia Redaktion Allgemein Beauty Ernährung Fitness News People xund24.ch
Bryan Johnsons extremer Anti-Aging-Kurs wirkt wie aus der Zukunft – tägliche Pillen, vegane Diät, medizinische Dauerüberwachung. Doch was bedeutet das für Menschen mit einem normalen Alltag?
Johnson investiert Millionen in seine körperliche Verjüngung. Sein Ziel: der Körper eines 18-Jährigen. Doch wer kein Multi-Millionär ist, muss nicht in Dessau gehen, um länger und gesünder zu leben. Denn viele Strategien sind alltagstauglich, wissenschaftlich fundiert und deutlich günstiger.
Wer ist eigentlich Bryan Johnson?
Der US-Amerikaner Bryan Johnson erlangte Bekanntheit als Tech-Gründer. Er verkaufte das Zahlungsunternehmen Braintree an PayPal und gründete später Kernel – eine Firma, die sich mit Schnittstellen zwischen Gehirn und Technik beschäftigt. Inzwischen investiert er persönlich jährlich rund zwei Millionen Dollar in sein Anti-Aging-Projekt „Blueprint“. Täglich setzt er auf mehr als hundert Nahrungsergänzungsmittel, vegane, kalorienkontrollierte Kost, medizinische Überwachung rund um die Uhr und experimentelle Gen-Therapien. Sein erklärtes Ziel: den eigenen Körper biologisch in einen Zustand zu versetzen, in dem er wieder mit einem 18-Jährigen vergleichbar ist.
Blueprint im Detail – ein Rund-um-sorglos-Paket
Johnson verfolgt das Ziel einer maximalen Optimierung. Sein ganzheitlicher Ansatz umfasst folgende Elemente:
- Präzise Ernährung: Eine vegane Kost mit etwa 2000 Kalorien pro Tag, bestehend aus frischem Gemüse, Hülsenfrüchten, gesunden Ölen wie extra vergine Olivenöl, Nüssen und Samen. Zucker, verarbeitete Produkte, Alkohol und Weizen sind strikt verboten.
- Supplemente im Überfluss: Johnson nimmt täglich über hundert verschiedene Wirkstoffe ein – darunter Vitamine, Aminosäuren, Antioxidantien, Pflanzeninhaltsstoffe und gelegentlich Medikamente wie Metformin.
- Dauerüberwachung: Täglich erfolgen Blutanalysen, Herzuntersuchungen, MRTs, Schlafanalyse sowie Körperzusammensetzungs-Messungen. Zudem setzt er gezielte Lichttherapie ein, um Hormone wie Kortisol und Melatonin zu regulieren.
- Gen-Therapie-Experimentalverfahren: In speziellen Kliniken wird mit Follistatin, Wachstumshormonen oder anderen, noch unzugelassenen Mittelchen experimentiert – alles in dem Bemühen, Zellen zu regenerieren und Muskelleistung zu steigern.
- Bioalter-Metrik: Er lässt regelmässig epigenetische Marker analysieren, um sein „biologisches Alter“ nach neuesten Standards zu messen.
Was berichten die Ergebnisse?
Johnson selbst verkündet, dass seine Ergebnisse dem Körper eines Mannes Mitte 30 entsprechen. Sein biologisches Alter lag laut Messung fünf Jahre hinter seinem chronologischen zurück. Andere Teilnehmer des Programms berichten von ähnlichen Verbesserungen – besserer Schlaf, mehr Gelenkbeweglichkeit, höhere Kraft. Doch entscheidend bleibt die Frage: Sind diese Effekte nachhaltig? Oder funktionieren sie nur kurzfristig?
Die Kostenfrage und ihre Folgen
Das Blueprint-Protokoll fordert enorme Opfer – sowohl finanziell als auch zeitlich. Kein Wunder, dass Sparfüchse oder Berufstätige kaum in der Lage sind, solche Programme zu absolvieren. Die tägliche Medikamentenroutine, Zeiteinsatz für Arztbesuche, Bluttests und etwaige Nebenwirkungen machen es nur für wenige praktikabel.
Zudem warnen Experten: Die Forschung zu Gen-Therapien steckt in den Kinderschuhen. Langfristige Spätfolgen sind kaum vorhersehbar. Auch bei fortgeschrittenen Herz-Monitorings sind Effekte schwer messbar, wenn Veränderungen über Jahre stabil bleiben sollen.
Ein weiteres Risiko: Der psychische Druck. Dauerüberwachung kann Stress verursachen – wer täglich hunderte von Werten checkt, verliert irgendwann den Fokus für das Wesentliche: das Leben selbst.
Kritik am Extremansatz
Zahlreiche Wissenschaftler monieren an Johnsons Konzept:
- Begrenzte Tragweite: Sein Lebensstil ist nicht ohne Weiteres auf den Durchschnitt übertragbar – weder finanziell noch zeitlich.
- Gefahr der Selbstoptimierungsdiktatur: Wer ständig kontrolliert, optimiert und misst, findet kaum noch Raum für Spontaneität, Erholung, Genuss.
- Besser, aber einfacher: Studien unterstreichen: Eine gesunde Ernährung, mässige Bewegung und guter Schlaf liefern oft vergleichbare Vorteile wie teure Anti-Aging-Methoden.
Evidenzbasierte Strategien, die sich jeder leisten kann
Obwohl Johnsons Ansatz eindrucksvoll ist, gibt es realistischere Alternativen, die ebenfalls medizinisch fundiert sind:
- Schlafqualität steigern: Mindestens sieben bis acht Stunden Schlaf pro Nacht sind essentiell für die Reparaturprozesse von Zellen, die Hormonregulierung und die Gehirnfunktion.
- Regelmässige Bewegung: Moderate körperliche Aktivität – etwa fünf Stunden Gehen oder Training pro Woche – verbessert Blutdruck, Stoffwechsel, Herz-Kreislauf-System und mentale Gesundheit.
- Mediterrane Kost: Olivenöl, Nüsse, viel Gemüse, Fisch und Hülsenfrüchte – diese Ernährungsweise reduziert Entzündungen und senkt das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und neurodegenerative Erkrankungen.
- Gezielte Supplemente: Wo sinnvoll, kann man mit Vitamin D, Omega-3-Fettsäuren oder Magnesium ergänzen – aber bitte in Absprache mit Fachpersonen und basierend auf individuellen Blutwerten.
So gelingt die Umsetzung im Alltag
Wer sein Leben gesünder gestalten möchte, braucht keinen 2-Millionen-Dollar-Körperoptimierer. Entscheidend sind kleine, langfristig wirksame Schritte:
- Anpassung des Alltagsprogramms: Regelmässige Mahlzeiten, feste Schlafzeiten, Pausen einplanen, soziale Kontakte pflegen.
- Langsame Steigerung: Wer bisher wenig aktiv war, kann erst sanft Gewicht bewegen – und allmählich Tempo, Strecke oder Intensität erhöhen.
- Bewusste Nährstoffqualität: Wenig Fertigprodukte. Mehr Gemüse, Hülsenfrüchte, Nüsse. Massvoll Gemüse, Obst und gesunde Fette.
- Blutwerte im Blick behalten: Basis-Check alle 1–2 Jahre. Vitamin D, Eisen, Blutdruck im Normbereich. Bei Abweichung gezielt eingreifen.
- Regeneration ernst nehmen: Ausgleichszeiten zwischen Arbeit – mit Spaziergängen, Lesen, Gesprächen.
- Mentale Balance: Stress abbauen – durch Atemübungen, Achtsamkeit, Hobbys oder kreative Tätigkeiten.
Die richtige Balance finden
Johnson selbst betont: Freude, soziale Nähe und psychisches Wohlbefinden sind zentrale Faktoren für Lebensqualität. Je mehr man optimiert, desto höher steigt die Gefahr, den Fokus zu verlieren. Longevity darf nicht zur Dauerdisziplin und Entfremdung von Familie, Freunden und persönlichen Interessen führen.
Fazit – weniger ist oft mehr
- Johnson zeigt, was möglich wäre, wenn man unbegrenzte Mittel hätte – aber er stellt nicht dar, was nötig oder sinnvoll ist.
- Moderate, evidenzbasierte Veränderungen sind oft effizienter und nachhaltiger.
- Longevity muss nicht teuer sein – erfordert Konsequenz, nicht Kapital.
- Leben bleibt lebenswert – auch ohne Pillencocktail und Dauer-Laborkontrolle.
Quelle: xund24.ch-Redaktion
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