Abschussfreigabe für zwei Wölfe – Fakten und Hintergründe zum Verhalten der Tiere
von belmedia Redaktion Allgemein Natur & Umwelt News tierwelt.news Wildtiere
Im Kanton Glarus sollen sich zwei Wölfe wiederholt aktiv Menschen und Siedlungen genähert haben, zuletzt einem spielenden Kind. Der Kanton hat die beiden Tiere heute zum Abschuss freigegeben. Für eine fachliche Beurteilung des Verhaltens der Wölfe fehlen noch Informationen. Die Begegnung von Menschen mit Wölfen deutet aber nicht automatisch auf ein unnatürliches Verhalten hin. Eine unmittelbare Gefährdung der menschlichen Sicherheit ist aufgrund der bekannten Berichte nicht zu erwarten.
Das Risiko, das von wildlebenden Wölfen für den Menschen ausgeht, ist so gering, dass es statistisch nicht erfasst werden kann. Wildlebende Wölfe greifen Menschen nur an, wenn sie tollwütig sind, wenn es ihnen an natürlicher Nahrung mangelt oder wenn sie den Menschen durch eine vorangegangene Fütterung mit Futter in Verbindung bringen. In der Schweiz gibt es jedoch seit 30 Jahren keine Tollwut mehr, die Wildbestände sind sehr hoch und angefütterte Wölfe sind bisher nicht aufgetreten. Sollten sie doch einmal auftauchen, könnten sie ebenso wie an Tollwut erkrankte Wölfe abgeschossen werden. Die hohen Wildbestände werden durch ein strenges Jagdrecht gesichert. Wolfsangriffe auf Menschen sind daher in der Schweiz nicht zu befürchten.
Um die Vorfälle im Kanton Glarus einordnen zu können, fehlen noch wichtige Informationen. Die in den letzten Tagen und Wochen publik gewordenen Situationen deuten jedoch nicht auf ein aggressives Verhalten hin, sondern auf Wölfe, die bisher keine schlechten Erfahrungen mit Menschen gemacht haben. In dieser Situation wäre eine Vergrämung eigentlich die geeignete Maßnahme, denn im Vergleich zu toten Wölfen können vergrämte Wölfe noch etwas lernen. Eine unmittelbare Gefährdung der menschlichen Sicherheit ist aus den bekannten Schilderungen nicht abzuleiten.
Wer Angst sät, erntet Angst
Seit einigen Jahren leben Wölfe im Kanton Glarus. Vor allem im südlichen Kantonsteil wird seit einiger Zeit von Wolfsgegnern gezielt Stimmung gegen den Wolf gemacht und eine Gefahr heraufbeschworen. Mit Falschinformationen werden gezielt Ängste geschürt. Dass die Bevölkerung in dieser Situation bei Wolfsbegegnungen tatsächlich mit Angst statt mit Gelassenheit und Zuversicht reagiert, ist nicht verwunderlich und kann ihr nicht zum Vorwurf gemacht werden.
Das Gegenteil wäre aber wichtig: Sachliche Informationen über den Wolf und Hinweise zum richtigen Verhalten bei Wolfsbegegnungen geben Sicherheit und helfen, im Falle einer Begegnung das Richtige zu tun. Neben der Zivilgesellschaft sind insbesondere auch die Behörden in der gesetzlichen Pflicht, kontinuierlich und sachlich über den Wolf zu informieren und nicht nur im Zusammenhang mit Schäden oder Gefahren.
Natürliches Wolfsverhalten vs. politisch erwünschtes Verhalten
Wölfe stehen als Spitzenprädatoren zusammen mit wenigen anderen Tieren an der Spitze der Nahrungskette. Sie haben viele natürliche Konkurrenten, aber keine natürlichen Feinde. Daher regulieren sie ihre Population selbst durch Territorialität, die durch das Nahrungsangebot gesteuert wird: Je weniger Beutetiere, desto größer die Territorien und desto weniger Wölfe pro Fläche. Als Spitzenprädatoren müssen Wölfe anderen Lebewesen nicht ausweichen, um sich in Sicherheit zu bringen.
Sie sind von Natur aus keine Fluchttiere und auch nicht nachtaktiv. In den weltweit nur noch wenigen Gebieten, in denen Wölfe ohne Menschen leben, ist ihr natürliches Verhalten bei Begegnungen mit menschlichen Besuchern gut dokumentiert. Es ist letztlich individuell unterschiedlich und reicht von Misstrauen bis Neugier und Kontaktaufnahme. In keinem Fall wird der Mensch als Beute betrachtet. Ob ein Wolf neugierig oder misstrauisch ist, ist in erster Linie genetisch bedingt. Genetisch besonders neugierige Individuen, die positive Erfahrungen mit Menschen machen (z.B. durch Fütterung), können sich dem Menschen stärker annähern. Andere Individuen bleiben ihr Leben lang scheu.
Daher ist auch eine gelegentliche Annäherung an den Menschen kein unnatürliches Wolfsverhalten, sondern Teil des natürlichen Verhaltensrepertoires des Wolfes. Daher wird es immer wieder zu Annäherungen von Wölfen kommen. Die menschliche Sicherheit ist dadurch nicht gefährdet. Neugierige Wölfe haben die Domestikation überhaupt erst ermöglicht und sind die Vorfahren unserer Hunde.
Neugierige Wölfe wurden also nicht zu allen Zeiten der Menschheit als Problem angesehen, sondern zeitweise domestiziert und zu Haustieren gemacht. Mit oder ohne Regulierung wird es immer wieder solche neugierigen Wölfe geben. Dass die Regulierung natürliches Wolfsverhalten nicht verändert, wird alleine dadurch deutlich, dass ausgerechnet dort, wo sich die Vorfälle nun ereigneten, Wölfe noch im vergangenen Winter scharf reguliert wurden durch den Abschuss von Jungtieren und eines Elterntieres.
Quelle: Kanton Glarus
Bildquelle: Symbolbild © ambquinn/Shutterstock.com